Eine Begegnung beim Rosenmontagszug hat mich besonders beeindruckt. Ein junges Mädchen kam vom Zugrand auf mich zu und sagte mir „Ihr habt das falsch geschrieben, die 2 gehört nach unten“. Haben die ganzen Erwachsenen das beim Korrekturlesen nicht gewusst, nicht gesehen oder gedacht, es bringt doch eh nichts, wenn ich jetzt darauf hinweise? Vielleicht wird man auch einfach betriebsblind, wenn man zu sehr in einem Thema drinsteckt oder eine Idee sich weiterentwickelt.
Als wir in einer kleinen Runde von Fluglärmgegnern und Mitgliedern des Vereins „Lebenswertes Mainz“ ein Motto für den Rosenmontagszug im Reformationsjahr suchten, stieß die Idee vom „Modernen Ablasshandel“ auf helle Begeisterung bei denen, die schon immer mal als Mönch gehen wollten, aber auch auf Bedenken. Wer kennt denn heute noch die Geschichte von Tetzel, der im Auftrag des Papstes Ablassbriefe verkauft hat, um den Bau des Petersdoms zu finanzieren? Versteht jeder Zuschauer und Berichterstatter innerhalb von 30 Sekunden, dass die Fraport mit Zustimmung eines grünen Ministers Rabatte für Billigflieger vergibt, weil sich die Prognosen als falsch erwiesen haben, auf denen die Genehmigung für den weiteren Ausbau des Frankfurter Flughafens basiert?
Nachdem Papst Franziskus die CO2-Ausgleichszahlungen öffentlich als Heuchelei angeprangert hat, schien es den Wagenbauern anschaulicher, dass Martin Luther einen CO2-Ablassbrief zerreißt, den Tarek Al-Wazir in seiner hessischen Amtsstube erstellt hat, während auf dem bereits bekannten Wagen die Flieger über dem Mainzer Dom jetzt das Logo von Ryanair tragen. Und vielleicht erzählen ein paar aufmerksame Schüler ihren Lehrern, dass wir alle beim Chemieunterricht nachsitzen müssten oder lassen sich von ihren Großeltern mal die Geschichte vom Beginn der Reformation erzählen, als mit der Angst vor dem Fegefeuer den Gläubigen das Geld aus der Tasche gezogen wurde, bevor Mut und Vertrauen als neue Prinzipien gepredigt wurden.